Anfänge der Verehrung
Auf dem alten Weg durch die Lindenallee von Augsburg-Hochzoll nach Friedberg weitet sich dem Spaziergänger nach kurzem Gang ein wenig der Blick und lässt die Maueransätze eines kleinen Kirchleins erkennen. Bald steht er staunend vor einem zierlichen Zentralbau mit einem flachen Kuppeldach und einer achteckigen Laterne. An der Westseite ist ein Langhaus vorgesetzt. Es ist die kleine Wallfahrtskirche „Sankt Maria Alber“.
Dort, wo die alte Salzstraße von Augsburg nach München über den Lech führte und die bayerischen Herzöge Zoll erhoben, stand einst die Gebäudegruppe des kurfürstlichen, bayerischen „Hochzoll“ (Grenz-Zoll). Von dieser Anlage aus wurde das Kapellchen begründet. Ein Zollbeamter namens Arnold Schwenkh setzte nämlich, um in der Nähe seines Arbeitsplatzes auch einen Ort für Andacht und Gebet zu finden, eine kleine hölzerne Nachbildung der Altöttinger Madonna in einen hohen Alberstamm (Silberpappel). Er errichtete davor eine kleine Kniebank, betete dort auf abendlichen Spaziergängen zusammen mit seiner Frau und veranlasste dadurch die Vorübergehenden zur Verehrung der allerseligsten Jungfrau. Ein diesbezügliches Schreiben des damaligen Pfarrherrn von Friedberg liegt im Archiv auf.
Die Verehrung des Bildes nahm zu und noch im selben Jahr ließ der fromme Mann eine hölzerne Kapelle an den Baum bauen und darin das Bildnis aufstellen. Schließlich ging er den Rat von Friedberg an und holte die Erlaubnis ein, eine steinerne Kapelle bauen zu dürfen. Er selbst begann noch den Bau am 26. Juli 1692, konnte aber den Ausbau nicht mehr erleben, da er 1693 starb. Erst im Jahre 1694 kam das Bauwerk dank zahlreicher Opfergaben zustande. Im Mai 1695 übertrug der damalige Stadtpfarrer von Friedberg, Sigmund Freiherr von Lampfrizheim, die Statue der Mutter Gottes in die neue Kapelle, genannt „Unsere Liebe Frau am hohen Alber“.
Besiedelung der Umgebung
Die Kapelle war in eine Landschaft gestellt worden, die außer der erwähnten kurfürstlich bayerischen „Hochzoll“-Anlage keinerlei Besiedlung aufwies. Das Gelände war beidseitig der Salzstraße gänzlich unkultiviert. Erst nachdem 1802 und 1805/6 das Bistum und die Stadt Augsburg in Bayern eingegliedert waren und das Zollgebäude entbehrlich wurde, ließen sich sogenannte Kulturisten dort vom Bayerischen Staat Land zuteilen und bearbeiteten den Lechfeldboden.
Es entstand der Ortsteil Friedbergerau. Er entwickelte sich vornehmlich westlich der nach Mering führenden Straße. Diese wurde auch als Grenze gegen Friedberg festgelegt, als 1864 der Ortsteil zur selbstständigen Gemeinde erklärt wurde. Schule und Kirche besuchten die Einwohner weiterhin in Friedberg, bis 1913 die Stadt Augsburg das Dorf Hochzoll eingemeindete.
So musste der Raum zwischen Lech und Friedberg im Laufe von Jahrzehnten eine Teilung erfahren, obwohl er in schweren Zeiten mit Mühsal zu einer Einheit gewachsen war. Die Teilung erfolgte jedoch nur politisch. Kirchlich blieb die Einheit gewahrt.
Das Gebiet um St. Maria Alber gehört nach wie vor zu der aus dem Stammgebiet hervorgegangenen Kirchengemeinde Hochzoll, so dass das alte Wallfahrtskirchlein der Landschaft erhalten blieb, die es aus tiefer Frömmigkeit hervorgebracht hatte und der es Jahrhunderte hindurch als einzige Stätte christlicher Andacht diente.
„Unausgesprochene Gemeindekirche“ Friedberg-Wests
In neuerer Zeit hat die Wallfahrtsstätte durch die Bewohner des sie heute umgebenden Ortsteils Friedberg-West eine erfreuliche Verehrung erfahren. Die Ansiedlung, früher nur aus einzelnen kleinen Bauernanwesen bestehend, wuchs von etwa 1930 an. Die den Neubürgern auferlegte Gegensätzlichkeit zwischen der politischen und kirchlichen Gemeindezugehörigkeit ließ das Gotteshaus bald zu ihrer unausgesprochenen Gemeindekirche werden. In der Madonna von St. Maria Alber erblickten sie bald ihre geheime Schutzherrin.
Diese fromme „Eigenbrötelei“ trat immer dann besonders zutage, wenn an Marienfesttagen die Pfarrherrn von Hl. Geist zu Festgottesdiensten in das Kirchlein einluden. Es herrschte immer wieder freudigste Hochstimmung, sobald der Mesner mit den Ministranten die liturgischen Geräte in einem Korb von Hochzoll kommend durch die Lindenallee trug und das silberhelle Glöcklein von St. Maria Alber den baldigen Beginn des Festgottesdienstes ankündigte. Nun strömten sie hin zu ihrer Lieben Frau. Es kamen vielfach auch jene, die es an sonstigen Sonn- und Feiertagen nicht immer ganz pünktlich und genau mit dem Kirchgang meinten.
Dass die „Friedberg-Westler“ die Alber-Muttergottes ernstlich als ihre Schutzherrin betrachteten, zeigte sich am stärksten in den Wirren und Nöten des letzten Weltkrieges. So suchten manche bei Luftangriffen das Treppentürmchen der Kirche als rettenden Unterschlupf auf. Als vor Kriegsende die Besetzung Augsburgs bevorstand, das fürchterliche Grollen der sich nähernden Front schon vernehmbar war und alles befürchtete, dass der Landstrich zwischen Lech und Friedberger Höhenzug sich zum Kriegsschauplatz entwickeln könnte, pilgerten sie fast ohne Ausnahme allabendlich hin und erflehten im gemeinsamen Rosenkranzgebet den Schutz ihrer Lieben Frau.
Diese Bewegung war eine Wallfahrt, die keine Organisation aufwies und der keine Aufforderung oder Anregung durch den Pfarrherrn vorausging, die aber, aus spontanem gemeinsamem Willen und elementarer Glaubenskraft entspringend, als besonders aufrichtig anzusehen war. Die länger eingesessenen Bewohner Friedberg-Wests werden sich noch dieser Zeiten erinnern, wenn heute das vertraute Glöcklein von St. Maria Alber am Morgen, mittags oder am Abend zum Gebet ruft.
Leider versiegt der Klang immer mehr im Verkehrslärm.
Maria Alber, ehemals einsam gelegen zwischen Feldern, wird heute immer mehr eingekreist von der sich ausweitenden Siedlung und dem umgreifenden Großstadtbetrieb. Mit der alten Lindenallee bietet es aber heute noch neben der rastlos modernen Verkehrsstraße ein Bild alter Kultur, um so mehr, als es nun nach der Renovierung wieder in neuem Glanz erstrahlt.
Näheres über das Kirchlein können Sie im Artikel „Kirchenführer“ nachlesen.
Hubert Bernhard
Der (gekürzte) Text stammt aus der Festschrift „Wallfahrt St. Maria Alber“ von 1967. Er wurde auch in die Festschrift zur Wiedereröffnung nach der Renovierung 1987/88 aufgenommen.